Die KUNST nein zu sagen

Junge vor Schultafel

Es ist gleich fünf Uhr. Punkt fünf hat Sabine Feierabend. Sie beendet ihre Arbeit und packt langsam ein. Plötzlich kommt der Chef mit wehenden Papieren herein gestürzt. »Das muss heute noch raus.« Er schaut in die Runde. »Würden sie bitte … nur das eine …?«

Sabine wird immer kleiner und möchte am liebsten im Boden versinken. Ihre Kollegin muss ihr Kind abholen, die andere hat einen Arzttermin, die dritte reagiert nicht und sie hat mal wieder keinen guten Grund nein zu sagen. Sie fragt sich, wieso es immer sie trifft.

Noch immer stumm kommt ein »ja gerne, kein Problem« aus ihr. Ihr Magen zieht sich zusammen und sie fühlt sich unwohl. Ärger steigt in ihr auf. Wieso kann sie bloß nicht nein sagen? Nur ein verdammt kleines Wort. NEIN, ein Wort mit großer Wirkung, und weil die so groß ist, können viele Menschen dieses Wort schwer über die Lippen bringen.

Neinsagen lernt der Mensch von klein auf. Zunächst sind die Eltern die ersten Lehrer. Sie sagen nein, wenn die Kinder Dinge tun die gefährlich sind, wie z.B. mit einer Schere zu spielen, in die Steckdose zu fassen und vieles mehr. Beginnt das Trotzalter, üben sich Kinder selbst im Neinsagen und auch bis in die Pubertät stehen Eltern und Kinder im täglichen Training miteinander.

Häufig jedoch sind Reaktionen der Umwelt auf ein klares Nein mit emotionalen Repressalien verbunden. »Wenn du nicht … machst, dann bin ich traurig, werde krank …!« Da Kinder von den Eltern nicht nur emotional abhängig sind reagieren sie in der Regel mit Anpassung. Schließlich wollen sie keinen Ärger und vor allem die Liebe der Eltern nicht aufs Spiel setzen.

Diese Kinder lernen zunehmend seltener nein zu sagen und zeigen öfter ein Verhalten für welches sie gelobt und anerkannt werden. Aber auch andere erlernte Einstellungen und Ängste verhindern ein oftmals gerechtfertigtes Nein.

Kinder streitender Eltern scheuen oft Konflikte und sind übertrieben harmoniebedürftig. Mangelndes Selbstbewusstsein ist ebenso ein Hindernis, nein zu sagen wie ein Helfer-Syndrom, übertriebene Verantwortungsgefühle oder einfach das Unvermögen Grenzen zu ziehen. Im Erwachsenenalter werden dann Einstellungen und Wertvorstellungen nicht mehr kritisch hinterfragt und so sind Menschen die schlecht nein sagen können oft verärgert und überfordern sich häufiger als andere. Schnell fühlen sie sich als Opfer.

Häufige Gedanken und Befürchtungen nein zu sagen sind z.B. die Angst abgelehnt zu werden, den anderen zu enttäuschen, zu verletzen, ihn zu verärgern oder aber das Gefühl, schuld zu sein an dem Ärger des Gegenübers, aber auch der Gedanke, sich egoistisch und herzlos zu fühlen spielt eine Rolle.

Dabei hat es viele Vorteile nein sagen zu können, denn eine gesunde Selbstsorge ist ein guter Schutz vor Burnout und Überlastung. Es gibt viele Wege nein sagen zu lernen. Ratgeber (z.B. Bücher) sind ebenso geeignet wie das Üben mit Freunden, Verwandten, Bekannten. Auch Psychologen, Coachs oder Trainer können behilflich sein. Nein sagen kann man lernen, Einstellungen können überprüft und Wertvorstellungen geändert werden.